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30 Jahre Kommunale Beschäftigungsförderung

„Wir gehen respektvoll miteinander um“

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Das Team der Produkttionsschule (von links): Ralf Ruther (Projektleiter), Nils Ackermann (Fachanleiter Tischlerei), Monika Rach (Fachanleiterin Hauswirtschaft), Barbara Flaig (Lehrkraft der Heinrich-Heine-Schule Göttingen), Katharina Kraemer (pädagogische Mitarbeiterin). FOTO: R

Eine „praxis- und projektorientierte Schule mit alternativen Lernformen“: Das ist die offizielle Definition der Produktionsschule an der Levinstraße 1 in Göttingen. Vor Ort ist das Bild der klassischen Schule aber plötzlich ganz weit weg. Dafür sorgt nicht nur die alte Werkstatt, die als Schulgebäude dient. Es riecht nach Holz, große Schülermengen sucht man vergebens.Die Schülerinnen und Schüler der Produktionsschule machen am Ende ihrer Schulzeit einen ganz normalen Schulabschluss, den Hauptschulabschluss. Dafür ist die Schule an die Heinrich-Heine-Schule angegliedert, die das Projekt gemeinsam mit der Beschäftigungsförderung Göttingen (kAöR) betreibt.Derzeit seien an der Schule 14 von 18 Schulplätzen belegt, erklärt Ralf Ruther, Leiter der Produktionsschule. Gemeinsam mit seinen Kollegen unterrichtet er aber nicht nur Deutsch, Mathe und Co. – auf dem Lehrplan stehen auch die Arbeit mit Holz und die Tätigkeit in der Küche. „Jeden Tag gibt es ein gemeinsames Mittagessen, das die Schüler gemeinsam vorbereiten.“ So würden neben den hauswirtschaftlichen Kenntnissen automatisch auch die Fähigkeiten im Rechnen und Lesen gefördert. „Die Schüler kaufen selbst ein, überlegen sich, was sie kochen wollen und müssen mit dem Geld haushalten.“ Auch die Mengen hochzurechnen, sei Schülersache.

Produktiv: Schule auf Augenhöhe

„Plötzlich wollen die Schüler den Pausenraum herrichten – es wird miteinander gespielt und nicht nur auf dem Handy.“

Ihre Schüler seien an den Herkunftsschulen aus verschiedenen Gründen nicht zurechtgekommen, jeder Schüler sei etwas Besonders, erklärt das Schulteam unisono. Ihre Aufgabe sei es, jeden der Heranwachsenden einzeln zu betrachten und abzuholen – und das ist nicht nur sprichwörtlich gemeint. „Speziell am Anfang kommt es schon vor, dass wir morgens bei den Schülern am Bett stehen.“ Verbindlichkeit, so Ruther, sei unabdingbar. Dazu gehöre eine feste Struktur von Regeln. Ganz neu sei, dass die Handys den Tag über nicht genutzt werden dürften. Davon werde erheblich profitiert. „Plötzlich wollen die Schüler den Pausenraum herrichten – es wird miteinander gespielt und nicht nur auf dem Handy“, zieht Ruthers Kollegin Barbara Flaig ein positives Fazit der Neuerung. Die Lehrerin ist von Beginn an dabei – und die Schule besteht seit nunmehr 10 Jahren. „Ich habe mich freiwillig gemeldet, als das Projekt neu war. Ich hatte Lust darauf.“ Seitdem ist Flaig, die offiziell der Heinrich-Heine-Schule angehört, an die Produktionsschule abgeordnet. Und ihre Begeisterung ist seither nicht gewichen. „Ich würde nicht zurückwollen an eine Regelschule. Das was wir hier mit den Schülern haben, ist etwas Besonderes. Genauso wie die Arbeit im Team.“

So sieht es auch Fachanleiter Nils Ackermann, der für die Holzarbeit zuständig ist: „Natürlich ist es nicht immer einfach. Aber es macht Spaß, mit den Schülern zu arbeiten.“ Der Umgang sei respektvoll und die vormals schulmüden Schüler würden schnell erkennen, dass in der kleinen Gruppe Platz ist – für den eigenen Charakter, aber auch für Sorgen und Kummer. Ruther erklärt: „Wir gehen auf Augenhöhe und respektvoll miteinander um.

Das ist wichtig. Da sagt man auch mal: ‚Gestern war ich böse auf dich.‘ Aber jeder Tag ist ein neuer Tag mit einer neuen Chance. Das wissen unsere Schüler zu schätzen.“ Das pädagogische Konzept umfasst neben dem klassischen Repertoire, dem hohen Praxisanteil und der Kleingruppenarbeit das Aufholen des Stoffes. Oberstes Ziel ist es, die Lust am Lernen zu wecken. Das ist für die Schüler, die zwischen 13 und 16 Jahren alt sind und die siebte bis neunte Klasse besuchen, oft neu: Spaß am Lernen.

In den kleinen Gruppen kann sich aber niemand verstecken und es ist möglich, auf die individuellen Ansprüche der Schüler einzugehen. Das Konzept hat sich bewährt – und beeindruckt.