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„Verzwickte Situation“: Pflegeheim-Suche in Corona-Zeiten

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In Pflegeheimen gelten in der Corona-Pandemie strenge Schutzvorschriften – das erschwert die Suche nach einem Platz. FOTO: JONAS GÜTTLER/DPA-TMN

Checkliste Pflege für Angehörige

Region. Einen Platz im Pflegeheim zu finden, ist unter normalen Umständen schon nicht immer leicht – in Zeiten der Corona-Pandemie gilt das erst recht. Zum Teil dürfen die Heime keine neuen Bewohner aufnehmen. Besichtigungen? Fast immer nicht möglich. Und meist müssen Ältere oder Pflegebedürftige nach dem Einzug eine Zeit lang in Quarantäne, in einer für sie neuen Umgebung. Dazu kommen Nachrichten von Covid-19-Ausbrüchen in Senioren- und Pflegeheimen mit teils vielen Toten. Keine Frage: Für Angehörige ist die jetzige Situation eine Herausforderung. „Viele warten im Moment aus Angst vor einer Ansteckung mit Corona ab und versuchen stattdessen, die Pflege zu Hause zu realisieren“, sagt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK. „Das geht mal mehr, mal weniger gut.“ Seien die Angehörigen berufstätig, werde es schnell schwierig. „Auch die ambulante Pflege kann das kaum auffangen, weil die Dienste kaum neue Kunden aufnehmen können.“ Es sei eine verzwickte Situation, so Bentele.

Die Suche nach einem Platz im Pflegeheim läuft derzeit häufig unter erschwerten Bedingungen

Checkliste Pflege für Angehörige

Region. Das Thema Pflege ist ein Bereich, in dem man gut vorsorgen kann – eigentlich. Doch die meisten beschäftigen sich erst damit, wenn jemand aus der Familie pflegebedürftig wird. Dabei kann man einige Dinge bereits im Vorfeld klären. „Viele wissen gar nicht, dass eine kostenlose Beratung jederzeit möglich ist“, sagt etwa Maren Soehring von der IKK classic. Es sei „ sinnvoll, sich in Ruhe und ohne Zeitdruck über die unterschiedlichen Aspekte zu informieren.“ Auf diese Punkte komme es an:

■ Überblick verschaffen
Wäre die Pflege zu Hause denkbar? Dafür spricht, dass Betroffene in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können. Infrage kommt die Pflege durch Angehörige, durch einen Pflegedienst oder auch ein Pflegearrangement mit Einzelkräften. Alle drei Formen werden von der Pflegekasse durch Pflegegeld oder monatliche Pflegesachleistungen unterstützt. „Ist die Pflege zu Hause nicht möglich, kann eine Wohngruppe eine Alternative zur vollstationären Pflege sein“, weiß Soehring.

■ Infos zum Pflegegrad
Wird akut Pflege benötigt, übernimmt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) die Einstufung des Pflegegrades und ermittelt, wie hoch der Pflegebedarf ist. Bis Ende September geschieht diese Einschätzung allerdings nicht während eines persönlichen Besuchs im häuslichen Umfeld, sondern – bedingt durch Corona – anhand von Telefoninterviews oder auch nach Aktenlage.

■ Den finanziellen Spielraum kennen
Über die Pflegekasse wird das monatliche Pflegegeld ausgezahlt – zwischen 316 (Grad 2) und 901 Euro (Grad 5). Meist geben es die Pflegebedürftigen an die nicht erwerbsmäßig Pflegenden weiter. Es wird auch dann ausgezahlt, wenn man eine Pflegekraft beschäftigt. Entscheidet man sich für einen Pflegedienst, beteiligt sich die Pflegekasse über Pflegesachleistungen (bis zu 689 Euro beziehungsweise bis 1995 Euro).

■ Durchblick im Pflege-Dschungel
Auch hier hilft die Krankenkasse weiter. „Etwa durch Listen über Leistungen und Vergütungen der zugelassenen Pflegeeinrichtungen in der Region“, erklärt Expertin Soehring. Die Plattform http://pflegelotse.de nenne darüber hinaus Anbieter von Pflegeleistungen in der Nähe und gebe in Form von Schulnoten Auskunft über deren Qualität. djd
       

Unterschiedliche Regelungen in den Ländern

Ein Problem: Je nach Bundesland nehmen Heime gar keine Neubewohner auf. Die Regelungen seien sehr unterschiedlich, teilt die Diakonie auf Anfrage mit. Wie die Vorgaben der Landesministerien umgesetzt werden, dafür seien dann die Gesundheitsbehörden der Städte und Landkreise zuständig. Nach Angaben der Caritas nehmen die Pflegeheime zwar in der Regel neue Bewohnerinnen und Bewohner auf – aber das sei eben je nach den Empfehlungen auf Landesebene und der Situation vor Ort verschieden geregelt. Zudem seien ein Test auf Covid-19 und eine Zeit der Quarantäne nach Einzug empfohlen.

Die Quarantäne ist eine zusätzliche Belastung, weiß Manfred Carrier von der Diakonie: „In der Regel bedeutet das: Zimmer nicht verlassen, keinen Besuch. Bewohnerinnen und Bewohner mit kognitiven Einschränkungen kommen da mitunter an ihre Grenzen.“

Die Pflegeheim-Gruppe Korian teilt auf Anfrage mit: „Unsere Einrichtungen nehmen wieder neue Bewohner auf, wenn Sie Kapazitäten haben und es keine Covid-19-Infektionen im Haus gibt.“ Um die Dauer der Quarantäne des neuen Bewohners zu verkürzen, führe man bei Einzug einen Test auf Covid-19 durch. Bis das Ergebnis - meist innerhalb von 48 Stunden - da sei, stehe der Bewohner unter Quarantäne, könne aber unter Beachtung entsprechender Abstands-, Hygiene- und Schutzvorkehrungen Besucher empfangen, heißt es.

Doch vor dem Einzug steht zunächst die Wahl des Pflegeheims. Zentral ist dabei die Besichtigung, doch genau die ist im Moment oft nicht oder nur eingeschränkt möglich. „Eigentlich geht man hin, spricht mit den Leuten, schaut sich um“, sagt Pflegerechtsexpertin Verena Querling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Das fällt alles weg, weil es momentan nicht erlaubt ist.“ Ein Probewohnen sei in der Regel im Moment gar nicht möglich, ergänzt VdK-Präsidentin Bentele. Eine Besichtigung von Einrichtungen sei sicherlich nicht im Sinne der infektionshygienischen Maßnahmen, erklärt eine Sprecherin der Caritas und verweist auf andere Informationsmöglichkeiten wie Flyer, Website oder Telefon.

Schutz der Bewohner hat Vorrang

Die Einrichtungen führten weiterhin individuelle Beratungsgespräche, teilt die Korian-Gruppe mit. Ein Rundgang allerdings sei derzeit nur bedingt, nach vorheriger Rücksprache mit der Einrichtungsleitung und mit behördlicher Zustimmung möglich. „In manchen Bundesländern gibt es einen Aufnahmestopp, demzufolge sind auch Besichtigungen nicht möglich“, erklärt eine DRK-Sprecherin. Der Schutz der Bewohner habe in allen Einrichtungen oberste Priorität – das bedeute: „Niemand, der nicht muss, sollte aktuell Senioren- oder Pflegeeinrichtungen betreten“, so die Sprecherin.

Auch Verena Querling meint: „Man muss es also anders hinkriegen – sich zum Beispiel am Telefon etwas über das Pflegeheim erzählen lassen: Was gibt es für Angebote, wie ist der Umgang mit den Bewohnern?“ Allein auf den Eindruck am Telefon sollte man sich aber nicht verlassen. Die Verbraucherschützerin verweist auf schriftliche Broschüren der Heime. „Die müssen laut dem Wohn- und Betreuungsgesetz wahrheitsgetreu das Angebot widerspiegeln.“ Sonst könne man sich beschweren und gegebenenfalls auch Geld zurückverlangen. Idealerweise kommt es aber gar nicht erst dazu, weil man sich schon vorher genau mit Heim auseinandergesetzt hat.

Pflegenoten, Portale, Siegel – woran orientieren?

Ratsam ist darum auch ein Blick auf die Pflegenoten: Die vergibt der medizinische Dienst der Krankenkassen. Er prüft und bewertet die Heime nach vorgegebenen Kriterien, wie Querling erklärt. Sie rät aber, sich nicht nur auf die Durchschnittsnote zu verlassen. „Wir empfehlen dringend zu prüfen, wie das Heim in den einzelnen Kategorien abgeschnitten hat, die einem wichtig sind.“ Allerdings gibt es an den Pflegenoten auch Kritik – vor allem, dass sie zu positiv seien. Sie sollen durch den so genannten Pflege-TÜV abgelöst werden, einer anderen Art der Qualitätsprüfung – die ist wegen Corona aber erst einmal bis Ende September ausgesetzt.

Bewertungsportale sind aus Sicht der Verbraucherschützerin nur mit Vorsicht zu genießen: „Weil man nicht immer weiß, ob die von den Heimen bezahlt werden und nach welchen Kriterien sie genau bewerten.“ Als Orientierung nennt Querling noch das Siegel Grüner Haken – das vergeben geschulte Laientester auf Basis festgelegter Kriterien, wenn die Pflegeheime damit einverstanden seien, so die Expertin. „Gut ist, dass hier die Lebensqualität im Vordergrund steht.“

Und wenn man sich doch entscheidet, lieber im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter zu Hause zu pflegen? Dann gibt es rund um die Pflege Angehöriger verschiedene Varianten, sich vom Beruf freistellen zulassen – auch für wenige Wochen. Allerdings kann man angesichts der Menge an Optionen schnell den Überblick verlieren und lässt sich am besten beraten. Einen Überblick zu Anlaufstellen, nicht nur für die Beratung in finanziellen Fragen, bietet etwa die Beratungsdatenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP). Von Tom Nebe, dpa