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StVO-Novelle verletzt das Zitiergebot

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Foto: Kahl-Orr – pixabay.com

Die am 28. April 2020 eingeführte Reform der Straßenverkehrsordnung, welche vor allen Dingen schärfere Sanktionen für Schnellfahrer vorsah, verletzt offenbar das Zitiergebot und ist daher nicht anwendbar. Ursprünglich zielte die Reform der Verkehrsregeln vor allem auf einen besseren Schutz für Radfahrer ab. Doch die mitunter neu eingeführten, wesentlich härteren Rechtsfolgen für Raser sorgen jetzt weiter für Ärger. Im letzten Stand wurde die Nichtigkeit aufgrund von Formfehlern festgestellt.

     

Die Bundesländer gehen bereits davon aus, dass die Neufassung des Bußgeldkataloges nichtig ist und wenden daher den alten Bußgeldkatalog auf laufende Verfahren an.

Bayern, Hessen, Saarland, Brandenburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz haben bereits ein unkompliziertes Vorgehen angekündigt: Fahrverbote nach dem neuen Bußgeldkatalog werden nicht mehr vollzogen – es sei denn, das Fahrverbot würde auch nach dem alten Katalog verhängt werden.

Sollten Sie daher nach dem 28. April 2020 geblitzt worden sein und ein Fahrverbot angedroht bekommen haben, lohnt es sich, hiergegen Einspruch einzulegen und den Bußgeldbescheid überprüfen zu lassen.

Aufgrund der neuen Verordnung droht bereits ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts von 21 km/h ein Fahrverbot. Zum Vergleich: Bei der alten Regelung waren es 31 km/h.

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Katharina Kunstmann Rechtsanwältin Fachanwältin für Verkehrsrecht FOTO: R

Außerorts, also beispielsweise auf Autobahnen, reicht nach der neuen Verordnung schon eine Überschreitung von 26 km/h für ein Fahrverbot aus. Vor der Reform drohte ein Verbot zum Fahren erst ab einer Überschreitung von 41 km/h.

Man kann somit vermuten, dass bei Anwendung des neuen Bußgeldkatalogs das Fahrverbot zu einem Regelfall geworden wäre.

Vor diesem Hintergrund bleibt auf die Rechtsprechung des höchsten Gerichts in Deutschland hinzuweisen. Das Bundesverfassungsgericht sagt über Fahrverbote, dass auch ein relativ kurz befristetes Fahrverbot besonders lästig sein kann und – insbesondere soweit es dem Betroffenen seine berufliche Tätigkeit erschwert – „wirtschaftlich folgenreich sein kann“ (Beschluss vom 16. Juli 1969 – DAR 1969, 268).

Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage, ob die neue Reform und die angeordneten Rechtsfolgen verhältnismäßig sind.

Auch der Verantwortliche für die Reform, Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), hat angekündigt, dass die Fahrverbote bei einem Tempoverstoß „unverhältnismäßig“ seien und daher Korrekturen notwendig sind. Um das Problem zu lösen, ist aber ein komplett neues Gesetzgebungsverfahren notwendig. Mit Änderungen ist jedoch nicht vor Ende 2020 zu rechnen In der Zwischenzeit lohnt es sich daher auf jeden Fall, den Bußgeldbescheid überprüfen zu lassen.

Katharina Kunstmann
Rechtsanwältin Fachanwältin für Verkehrsrech