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30 Jahre Kommunale Beschäftigungsförderung

Stark für das Quartier

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Für alle Beteiligten ein Ereignis: die Teilnehmerinnen von „Mama lernt mehr“ im Gespräch mit der Familienministerin. FOTO: R

Multilingual nach Berlin

Im Zentrum ihrer Arbeit stehen die Menschen. Für Ruth Zinner, die das Weststadtzentrum an der Pfalz-Grona-Breite leitet, ist selbstverständlich, dass sich alles um ihre Gäste dreht. In der Initiative, die von der Beschäftigungsförderung Göttingen gemeinsam mit der Jugendhilfe betrieben wird, sollen alle eine Anlaufstelle finden – ungeachtet von Alter, Herkunft, Geschlecht und sozialen Stand.Es gelingt Zinner das Vertrauen ihres Gesprächspartners zu wecken. Im Gespräch wird die Wertschätzung, die sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an ihren Projekten entgegenbringt, spürbar. Da wundert es fast nicht, dass sie bei der Fahrt nach Berlin, zu der sie gemeinsam mit einigen Frauen aus dem Projekt „Mama lernt mehr“ als Repräsentantin geladen war, kurzerhand darum bat, doch mit ihren Schützlingen das Gespräch zu suchen und nicht mit ihr selbst. „Man kam auf mich zu und fragte mich, wie die Diskussion auf dem Podium ablaufen solle. Da habe ich gesagt: ‚Holt die Frauen auf die Bühne. Um sie geht es.“ So kam es, dass nicht die Kursleiterin im Gespräch mit der Familienministerin über „Mama lernt mehr“ sprach, sondern Juwan Ali.„Mama lernt mehr“ ist ein Kooperationsprojekt mit dem Jobcenter Göttingen und wird gefördert durch das ESF-Programm (Europäischer Sozialfonds für Deutschland) „Stark im Beruf“.

Im Weststadtzentrum wird Vielfalt großgeschrieben

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An der Pflanz-Grona-Breite ist das Weststadtzentrum lokalisiert. FOTO: R

„Bei den Projekten ‚Mama lernt mehr‘ und ‚Mama näht Deutsch‘ geht es darum, dass Frauen sich treffen. Natürlich soll Deutsch gesprochen werden, aber das klappt auch nicht immer“, erzählt Zinner aus ihrem Arbeitsalltag. Wichtig sei neben der Vertiefung der Sprachkenntnisse aber vor allem auch der soziale Kontakt zu anderen Migrantinnen und die Auseinandersetzung damit, dass die Frauen nicht alleine sein. „Die Erkenntnis, dass es anderen Frauen auch so geht, dass sie ähnliche Probleme haben, ist genauso wichtig.“

Wichtig ist Zinner auch der Einsatz für die Weststadt. Begeistert zeigt sie die „Bunte Ecke“. Ein Teil des ehemaligen Schlecker Marktes, in dem das Weststadtzentrum beheimatet ist, ist der bunten Ecke vorbehalten. „Es gibt Senioren, die kleiden sich hier komplett ein.“ Zinner erläutert, dass es Kleiderspenden seien, die von bedüftigen Personen gegen eine kleine Spende abgegeben werden.

So vielfältig wie die Straßennamen im „Blümchenviertel“ in der Weststadt ist auch das Angebot des Weststadtzentrum: ein bunter Blumenstrauß. Die Initiative lebt von dem Engagement Ehrenamtlicher, es arbeiten aber auch einige Menschen im Rahmen der sogenannten Sozialen Teilhabe mit. Die Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt für diese Quartierarbeiter ist ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit vor Ort – aber das Programm ist noch viel umfangreicher. Das aktuelle Angebot lässt sich im Internet unter www.weststadtzentrum.de einsehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr. Zusätzlich gibt es Abendveranstaltungen und Aktivitäten an den Wochenenden.

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Von der Teilnahme an Deutschkursen zur Podiumsdiskussion mit der Familienministerin: Juwan Ali

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Juwan Ali hat in Berlin das Projekt „Mama lernt mehr“ vertreten. FOTO: R

Es ist die pure Lebensfreude, auf die Neulinge im Weststadtzentrum schnell treffen: Juwan Ali, die in ihrem Heimatland, dem Irak, als Grundschullehrerin arbeitete, ist eine Teilnehmerin des Projekts „Mama lernt mehr“. Mittlerweile setzt sie sich selbst für Migranten ein, um diesen den Start in Deutschland zu erleichtern.

„Die erste bis sechste Klasse ich habe im Irak in Kurdisch unterrichtet“, erzählt Ali, die in ihrer Heimat dazu nach dem Abitur ein Diplom ablegte. Sie selbst spricht flüssig Kurdisch und Arabisch, dazu Englisch und Deutsch. Der erste Zugang zum Weststadtzentrum für die Irakerin war das Projekt „Mama näht deutsch“, in welchem sie neu zugezogene Migrantinnen beim Nähen und Deutsch-Llernen unterstützte.

Dabei war ihr eigener Weg nicht immer leicht, denn in den ersten Jahren hatte sich Ali ausschließlich auf ihre Kinder konzentriert, sodass ihre eigene Integration ins Stocken geriet. „Mir war es wichtig erst Weg zu finden. Eine gute Schule für Kinder und Arbeit für meinen Mann. Wir haben viel für Kinder gekämpft.“ Kämpfen müsse man auch um Jobs, erklärt Ali nachdrücklich. Ihre Töchter studieren mittlerweile an der Universität in Kassel und werden später gute Jobaussichten haben. Ihre Mama ist zu Recht stolz.

Für sie selbst habe alles angefangen, als ihre Kinder die Hagenbergschule besuchten. „Mein kleinster Sohn war drei Monate und ich habe nachmittags an Projekt teilgenommen. Das war Projekt von Volkshochschule an Hardenbergschule.“ Das Projekt von dem Juwan Ali hier spricht, hieß „Rucksack“ und war das Vorgänger-Projekt von „Mama lernt mehr“.

„Bis dahin ich war nur zu Hause“, erzählt Ali bei einem Gespräch im Weststadtzentrum. „Dort ich habe viele Leute kennengelernt.“ Unter ihnen auch die heutige Leiterin des Weststadtzentrums der BFGoe, Ruth Zinner. Nach dem ersten Anstoß hat Ali dann 2010 an der Volkshochschule einen Deutschkurs besucht. „Integrationskurs. Ein Jahr ich habe gemacht. Das war gut, aber auch schwierig“, erinnert sich die lebhafte Irakerin.

Es ist ein beeindruckender Weg, den Ali gegangen ist, und man ahnt bei aller Fröhlichkeit der 44-Jährigen, dass es ein schwerer Kampf gewesen sein muss, in dem fremden Land zurechtzukommen ohne die Sprache zu sprechen und einen guten Weg für die Familie zu finden.

Die vierfache Mutter hat diesen Weg gefunden, ist aufgebrochen und er hat sie bis nach Berlin geführt. Als Repräsentantin des Projekts „Mama lernt mehr“ diskutierte sie auf dem Podium mit der Familienministerin Dr. Franziska Giffey. Auch diese habe die Frage nach dem Weg gestellt. „Das war interessant für sie, ich habe erst nicht geglaubt. Hat sie gefragt, Juwan, wie hast du gefunden diese Weg? Dann habe ich von Hagenbergschule erzählt und sie hat gesagt, das ist gut, dann wir machen mehr diese Projekte.“

Das Thema Sprache bleibt im Alltag der Familie allgegenwärtig, sorgt aber mittlerweile eher für ein Schmunzeln: Die Kinder haben ihr eigenes System entwickelt, wenn sie nicht möchten, dass die Eltern mithören. „Die drei Großen haben Spanisch in Schule gelernt. Manchmal sie sprechen zu Hause Spanisch und dann ich immer sage, das war bestimmt Geheimnis.“