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Service: Recht - Recht haben und bekommen

Recht - Recht haben und bekommen: Enterben - aber richtig

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SYMBOLFOTO: NATEE MEEPIAN - STOCK.ADOBE.COM

Wer seine Erbfolge selbst bestimmen möchte, muss ein Testament machen. Pflichtteilsberechtigte haben auch dann, wenn sie enterbt wurden, einen Anspruch auf den Pflichtteil.

Nach Weihnachten mag der eine oder andere das Bedürfnis verspüren, Angehörige von der Erbfolge auszuschließen. Erfahrungsgemäß gibt es hierzu zahlreiche Missverständnisse, die ich aufklären möchte.

Zunächst einmal gilt, dass bei einem Erbfall ohne Testament die sogenannte gesetzliche Erbfolge gilt. Der Ehepartner wird grundsätzlich (das heißt im Güterstand der Zugewinngemeinschaft) Miterbe zur Hälfte. Diese etwas seltsame Formulierung (Miterbe zur Hälfte) heißt nicht, dass die Hälfte vererbt wird. Es ist nämlich nicht möglich, einzelne Gegenstände (das Haus, das Auto, die Briefmarkensammlung) zu vererben. Gibt es also mindestens zwei Erben, so steht diesen der Nachlass gemeinschaftlich zu, wobei die Erbquoten erst bei der Verteilung relevant werden. Man erbt also kein halbes Auto, sondern das gesamte Auto zusammen mit den anderen Erben und ist an der Erbengemeinschaft, der das Auto dann gehört, in Höhe der jeweiligen Erbquote beteiligt. Gibt es keine Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel), so erhöht sich die Erbquote des Ehepartners auf drei Viertel, und die Schwiegereltern erben das andere Viertel. Gibt es Abkömmlinge, bleibt es für den Ehepartner bei der Hälfte, und die andere Hälfte müssen sich die Kinder teilen, die wiederum ihre Großeltern ausschließen. Auch außereheliche und adoptierte Kinder sind voll erbberechtigt, allerdings muss dann unter Umständen die Frage der Vaterschaft gerichtlich festgestellt werden, was wiederum zu spannenden rechtlichen Fragen führt, wenn keine DNS mehr zur Verfügung steht und die ehelichen Kinder die Abgabe einer Blutprobe zur Abstammungsüberprüfung verweigern.

FOTO: THOMAS LAUDENBACH
FOTO: THOMAS LAUDENBACH

Wer seine Erbfolge selbst bestimmen möchte, muss ein Testament machen. Hierin kann man fast alles regeln. Wer möchte, kann also sein Vermögen dem Gärtner, Ärzte ohne Grenzen oder einem buddhistischen Kloster hinterlassen. Ein Erblasser kann beispielsweise verfügen: „Ich vermache alles meinem treuen Freund Karl-Theodor.“ Karl-Theodor ist dann Alleinerbe, und Frau und Kinder sind enterbt. Gibt es keinen Karl-Theodor und möchte der Erblasser vielleicht auch nur, dass die Ehefrau und die Kinder leer ausgehen, kann er testieren: „Meine treulose Frau und meine unnützen Kinder sind enterbt.“ Das macht die Situation wiederum ein wenig kompliziert, denn wer erbt dann? Das Testament regelt ja nur, wer nicht erbt ohne Angaben dazu zu machen, wer anstelle von Frau und Kindern Erbe sein soll. Einen herrenlosen Nachlass wiederum gibt es nicht. Irgendjemand ist immer Erbe und sei es, wenn sich trotz umfangreicher Bemühungen des Nachlassgerichts niemand findet, Finanzminister Gerald Heere.

Enterbt heißt nicht, dass dann wirklich das gesamte Vermögen dem Erben verbleibt, denn Pflichtteilsberechtigte haben auch dann, wenn sie enterbt wurden, einen Anspruch auf den Pflichtteil. Der Pflichtteil wiederum ist eine Geldforderung gegen den Erben. Die Höhe richtet sich danach, wie hoch die Erbquote gewesen wäre, wenn es kein Testament gegeben hätte. Hatte unser Erblasser also eine Frau und zwei Kinder, so hätte ein Kind bei gesetzlicher Erbfolge (der Ehepartner erbt zur Hälfte, die andere Hälfte entfällt auf zwei Kinder) ein Viertel geerbt. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte, also ein Achtel. Sodann muss der Wert des Nachlasses ermittelt werden, gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen die Immobilien, Autos, Kunstgegenstände oder Briefmarkensammlungen bewerten. Beträgt der Wert des Nachlasses beispielsweise (Haus 500.000 Euro, Konten 200.000 Euro, Rest 100.000 Euro) 800.000 Euro, so kann der enterbte Sohn immer noch 100.000 Euro vom Erben fordern.

"Pflichtteilsberechtigte haben auch dann, wenn sie enterbt wurden, einen Anspruch auf den Pflichtteil."

Der Pflichtteilsanspruch steht dem Ehepartner zu und Kindern beziehungsweise nach den Kindern den Enkeln und gegebenenfalls Urenkeln. Die Eltern sind pflichtteilsberechtigt, wenn es keine Kinder gibt. Geschwister sind übrigens nicht pflichtteilsberechtigt und können jederzeit durch ein Testament von allen Ansprüchen ausgeschlossen werden.

Nun gut, denkt sich der enterbungswillige Erblasser. Dann verschenke ich halt alles rechtzeitig! Weg ist weg. Auch an diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber gedacht und den Pflichtteilsergänzungsanspruch erfunden. Verschenkt der Erblasser sein umfangreiches Aktiendepot in letzter Sekunde noch an die Geliebte, so wird so getan als hätte selbiges zum Nachlass gehört (sogenannter fiktiver Nachlass), und pflichtteilsberechtigte Erben können sich von ihr zumindest den Pflichtteil zurückholen.

Man mag diese Regelungen als paternalistische Bevormundung empfinden. Es gibt liberale Rechtsordnungen, die einen Pflichtteil nicht kennen. In Deutschland führt daran kein Weg vorbei.
DR. PATRICK RIEBE 
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

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