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Dr. Patrick Riebe aus Göttingen: Was macht eigentlich ein Testamentsvollstrecker

Problemlöser bei schwierigen Erbschaftsangelegenheiten

Dr. Patrick Riebe. FOTO: PRIVAT
Dr. Patrick Riebe. FOTO: PRIVAT

Ein weithin unbekanntes Rechtsinstitut ist die Testamentsvollstreckung. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Hierzu zunächst ein Beispiel: Der verwitwete Erblasser hat drei Kinder, die sich nur eingeschränkt gut verstehen (was durch die Schwiegerkinder erfahrungsgemäß nicht besser wird) und teilweise im Ausland leben. Im Nachlass sind zwei Immobilien. Wie soll das Vermögen aufgeteilt werden? Ein Vererben an alle drei wird zu dauerhaftem Streit führen: Einer will vielleicht vermieten, einer will verkaufen, einer will selbst die schönste Wohnung beziehen aber nur eine kleine Miete zahlen. Eine Zuweisung von zwei Immobilien an zwei Kinder und ein finanzieller Ausgleich für Kind Nummer 3 scheidet ebenfalls aus, denn wo soll das Geld für die Ausgleichszahlung herkommen? Außerdem müsste man berücksichtigen, dass eine Immobilie dauerhaft ertrag bringend ist, wohingegen ein Abfindungsbetrag inflationsbedingt schnell an Wert verliert.

Die Lösung: Es wird ein Testamentsvollstrecker bestimmt. Dieser kann auf zwei verschiedene Weisen tätig werden. Variante 1: Der Testamentsvollstrecker kann das vererbte Vermögen dauerhaft verwalten. Die Erben werden dann zwar Eigentümer, sie können aber nicht mitreden. Allein der Testamentsvollstrecker entscheidet, welche Wohnungen an wen vermietet werden, ob das Dach erneuert wird und ob die Mieten ausgeschüttet oder investiert werden sollen. Möchte ein Kind eine Wohnung veräußern, ist das nicht möglich, zu allen Verfügungen über Nachlassgegenstände ist allein der Testamentsvollstrecker berechtigt. Auf diese Weise kann das Vermögen auch auf lange Zeit in der Familie behalten werden. Schädliche Einflüsse von Schwiegerkindern werden so neutralisiert, und auch der dem Alkohol zugetane Sohn kann keinen Schaden in der Erbengemeinschaft anrichten.

In der zweiten Variante wird der Testamentsvollstrecker lediglich mit der Auseinandersetzung des Nachlasses betraut. Er verschafft sich dazu zunächst einen Überblick, was alles zum Erbe gehört und informiert die Erben. Nachdem die Rechnungen bezahlt sind (wozu auch die Erbschaftsteuer gehört), werden die Konten aufgelöst, Immobilien verkauft, Vermächtnisse erfüllt und der Rest verteilt. Dies hat für die Erben den großen Vorteil, sich um nichts kümmern zu müssen. Streit, etwa darüber, ob der Kaufpreis für den Pkw des Erblassers angemessen ist, wird unter den Erben auf diese Weise vermieden, kann sich aber natürlich gegen den Testamentsvollstrecker richten, der in beiden Varianten den Erben Rechenschaft darüber ablegen muss, was er tut. Dieser braucht also gute Nerven- und neben Einfühlungsvermögen gewisse eine Durchsetzungsfähigkeit gegenüber einer Erbengemeinschaft, die - eben viel: leicht noch heillos zerstritten - nunmehr eine Allianz gegen den ungeliebten Dritten bildet.

Ein Testamentsvollstrecker bietet sich schließlich insbesondere an, wenn ein Kind aufgrund einer Behinderung dauerhaft nicht in der Lage sein wird, am Erwerbsleben teilzunehmen. Solange nämlich eine Testamentsvollstreckung besteht und der Erbe wie oben dargestellt über sein Vermögen nicht frei verfügen kann, ist dieses vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt. Der Testamentsvollstrecker kann dann sinnvollerweise angewiesen werden, dem behinderten Kind aus dem verwalteten Vermögen nur solche Zuwendungen zukommen zu lassen, die im Rahmen der Sozialleistungen nicht angerechnet werden. Dazu können beispielsweise Urlaubsfahrten gehören oder besondere Geburtstagsgeschenke wie ein Elektrofahrrad.

Ein Erblasser kann selbst entscheiden, wer Testamentsvollstrecker werden soll. Dies kann ein Familienfremder sein, beispielsweise der langjährige beste Freund oder auch der Steuerberater, der über die Vermögensverhältnisse regelmäßig im Bilde ist oder ein Rechtsanwalt oder Notar. Man kann die Auswahl aber auch dem Nachlassgericht überlassen. 
DR. PATRICK RIEBE
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, Kanzlei Langmack und Riebe in Göttingen