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„Punktlandung“ in Bußgeldsachen

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Experten aus der Region geben Ratschläge mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten.

Sie sind geblitzt worden, die Anhörung der Bußgeldstelle ist eingetroffen. Ihre erste Frage an den Rechtsanwalt: „Lässt sich da überhaupt was machen?“ Eine typische Situation für den Verkehrsrechtler.Fehlerquellen im Messverfahren, die Besonderheiten des Falles, die beruflichen Verhältnisse gilt es dann zu prüfen, vor allem, wenn Punkte oder Fahrverbote drohen. In geeigneten Fällen kann außerdem versucht werden, mit einer freiwilligen verkehrserziehenden oder verkehrspsychologischen Maßnahme eine Herabsetzung des Regelsatzes auf einen Betrag unterhalb der Eintragungsgrenze oder eine Fahrverbotsvermeidung anzustreben. Hier ist je nach Gerichtsort mehr Bewegung in die Rechtsprechung gekommen.

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„Punktlandung“ in Bußgeldsachen-2
Rechtsanwalt Dr. Hermann Wichmann FOTO: R

In jedem Fall wird aber der Fachanwalt für Verkehrs- recht, den Sie vielleicht noch unentschlossen mit einer Bußgeldsache aufsuchen, den Blick dafür haben müssen, welche Eintragungen es bereits beim Kraftfahrtbundesamt gibt und was sich „sonst noch so“ in der Schwebe befindet. Immerhin droht bei 4 Punkten die Ermahnung, bei 6 Punkten die Verwarnung und bei 8 Punkten die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem. Ist der Mandant schon mit 5 Punkten im Register belastet und erscheint er bei seinem Anwalt mit einem qualifizierten Rotlichtverstoß (2 Punkte) und einem einfachen Geschwindigkeitsverstoß (1 Punkt), würden sich rechnerisch 5+2+1=8 Punkte ergeben. Juristisch ergeben sich 8 Punkte aber nur, wenn die Ahndung der Verstöße zeitversetzt erfolgt: Nach der Eintragung des Rotlichtverstoßes würde bei 5+2=7 Punkten die Verwarnung ausgesprochen werden, nach der anschließenden Eintragung des Geschwindigkeitsverstoßes würde sich das Konto auf 7+1=8 Punkte erhöhen, obwohl auch der Geschwindigkeitsverstoß schon vor der Verwarnung begangen worden war. So ist es in § 4 Absatz 5 Satz 6 Nr. 1 StVG geregelt. Wird der Fahrerlaubnisbehörde nach dem Rotlichtverstoß sehr schnell auch der Geschwindigkeitsverstoß vom Kraftfahrtbundesamt gemeldet, ohne dass von der Fahrerlaubnisbehörde die fällige Verwarnung schon ausgesprochen worden war, hat der Betroffene zunächst einmal noch Glück: Werden nämlich 8 Punkte erreicht, im Beispielsfall 5+2+1=8 Punkte, ohne dass zuvor eine Verwarnung ausgesprochen worden war, darf die Fahrerlaubnis nicht sogleich entzogen werden. Stattdessen wird der Punktestand nach § 4 Absatz 6 Satz 3 StVG kraft Gesetzes auf 7 Punkte reduziert und die Verwarnung nachgeholt. Wenn aber nach der jetzt erteilten Verwarnung ein weiterer, ebenfalls schon begangener Geschwindigkeitsverstoß noch eingetragen wird, welcher der Fahrerlaubnisbehörde bei Aussprache der Verwarnung noch unbekannt war, erhöht er das Punktekonto nach § 4 Absatz 6 Satz 4 StVG wieder auf 7+1=8 Punkte, auch wenn diese weitere Verkehrsordnungswidrigkeit ebenfalls schon aus der Zeit vor der ausgesprochenen Verwarnung stammte. Die Folge wäre bei dieser unglücklichen Konstellation die prompte Entziehung der Fahrerlaubnis, so hat es das BVerwG kürzlich bestätigt. Dies hätte sich im Beispielsfall jedoch vermeiden lassen, wenn der Fahrerlaubnisbehörde noch vor der Verwarnung sämtliche bis dahin begangenen Neuverstöße gleichzeitig bekannt gegeben worden wären: Dann wäre der Punktestand des Betroffenen nach der besonderen Regelung in § 4 Absatz 6 Satz 3 + 4 StVG kraft Gesetzes auf insgesamt nur 7 Punkte reduziert worden!

Ob für die Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde im vorgenannten Sinne nur die rechtzeitigen Übermittlungen des Kraftfahrtbundesamtes relevant sind, wie jüngst das VG Schleswig meinte, oder auch die rechtzeitigen Mitteilungen des Betroffenen und seines Rechstanwalts, wie bislang ganz überwiegend angenommen worden ist, wird wohl noch höchstrichterlich zu klären sein. Auch der Zeitpunkt von Mitteilungen des Kraftfahrtbundesamtes lässt sich jedoch steuern. Deshalb gilt in jedem Falle: Die Wachsamkeit Ihres Rechtsanwalts kann über den Punktestand entscheiden!

Dr. Hermann Wichmann
Rechtsanwalt