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Axel Klingebiel: Erb- und pflichtteilsrechtliche Regelungen bei Übergabe von Vermögen mit „warmer Hand“

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Bei unentgeltlicher Übertragung von Vermögen sollte – abgesehen von steuerlicher Beratung – dringend überlegt werden, welche Auswirkungen die Übertragung auf spätere Erb- und Pflichtteilsrechte des Beschenkten sowie weiterer Personen haben kann. Ausgangspunkte sind dabei das gesetzliche Erbrecht, die Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen und, nicht nur bei Enterbung, sondern auch bei ungleicher lebzeitiger Vermögensverteilung, eventuell bestehende Pflichtteilsrechte der Abkömmlinge, der Eltern und des Ehegatten. Unter pflichtteilsrechtlichen Gesichtspunkten macht es in der Rechtsfolge einen wesentlichen Unterschied, ob eine Schenkung, eine Ausstattung oder eine Anstandsschenkung vorgenommen werden soll. Eine Ausstattung ist das, was einem Kind mit Rücksicht auf eine Verheiratung, die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung oder

     

Erhaltung der wirtschaftlichen Lebensstellung von den Eltern zugewendet wird. Grundsätzlich gilt sie nicht als Schenkung. Erbrechtlich ist die Ausgleichung unter Abkömmlingen von zentraler Bedeutung.

Eine Ausgleichung kommt dann in Betracht, wenn verschiedene Vermögensgegenstände zu verschiedener Zeit übertragen werden und beim Erbfall diese Vorempfänge wertmäßig berücksichtigt werden sollen. Eine Ausstattung ist in der Regel immer ausgleichungspflichtig, sodass Abkömmlinge, die erben, verpflichtet sind, dasjenige, was sie vorher schon zu Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Erbauseinandersetzung untereinander zur Ausgleichung zu bringen. Im Ergebnis wird der Nachlass rechnerisch um die vorweg empfangene Ausstattung erhöht.

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Axel Klingebiel, Rechtsanwalt und Notar FOTO: R

Da die Ausstattung keine Schenkung ist, wird sie bei der Berechnung des sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht berücksichtigt. Im Pflichtteilsrecht bei gesetzlicher Erbfolge wird der Ausstattungsbetrag bei der Berechnung des Pflichtteils aber rechnerisch mit einbezogen. Zu beachten ist hier aber die Zehn-Jahres-Verjährungsfrist beim Pflichtteilsergänzungsanspruch, sodass eine reine Schenkung pflichtteilsrechtlich somit vorteilhafter sein könnte.

Im Gegensatz zu Ausstattungen und sonstigen Zuwendungen sind Schenkungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung nur dann auszugleichen, wenn der Erblasser dies bei der Zuwendung ausdrücklich angeordnet hat.

Wichtig zu wissen ist, dass eine spätere einseitige Anordnung des Erblassers, auch im Testament, nicht mehr möglich ist. Gleiches gilt für Zuwendungen an einen Pflichtteilsberechtigten, sofern beabsichtigt ist, dass der Beschenkte sich den Wert auf seine Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen soll.

Um die „Aushöhlung“ des Pflichtteilsrechts eines Berechtigten durch lebzeitige Schenkung dadurch zu verhindern, indem der Nachlass vor dem Erbfall durch Schenkungen an andere Personen verringert wird, hat der Gesetzgeber die sogenannten Pflichtteilsergänzungsansprüche aufgenommen. So werden Schenkungen, die bis zu zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt sind, bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche mit einbezogen, wobei aber zu beachten ist, dass sich der rechnerische Wert hier pro Jahr um zehn Prozent verringert.

In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass im Rahmen von Zuwendungen zu Lebzeiten zwischen dem Erblasser und den pflichtteilsberechtigten Erben Pflichtteilsverzichtserklärungen abgegeben werden können. Auch können diese Erklärungen gegenständlich beschränkt, zum Beispiel im Rahmen der Übertragung eines Hauses oder unter einer Bedingung, zum Beispiel gegen Ausgleichszahlung, abgegeben werden.

Bei einem solchen Pflichtteilsverzicht (oder auch sogar Erbverzicht) ist darauf zu achten, dass dieser unbedingt notariell beurkundet werden muss, da er anderenfalls unwirksam ist. Leider zeigt sich in der Praxis oft, dass diese Form bei Lebzeiten missachtet wird, auch die noch so gut ausgearbeitete Vereinbarung letztlich wertlos, da nichtig, ist.

Über die vorstehenden Grundsätze hinaus gibt es noch eine Vielzahl von Besonderheiten, die gegebenenfalls berücksichtigt werden müssen. Es empfiehlt sich daher, bereits bei zu Lebzeiten vorgenommenen Vermögensübertragungen auf die erb- und pflichtteilsrechtlichen Konsequenzen für den späteren Erbfall zu achten.

Axel Klingebiel, Rechtsanwalt und Notar