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Mengershausen: Seltener Hybridstorch gesichtet

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Auf einem Scheunendach in Mengershausen sind Anfang September fünf Störche gelandet. Einer von ihnen ist der medienbekannte Hybridstorch Lina. FOTO: RÜDIGER BECKER

Eine Überprüfung bringt Gewissheit: Es ist Storchendame Lina, die auf dem Scheunendach landet.

Mengershausen. Im Mai haben zwei im Landkreis Uelzen geschlüpfte Storchenküken weltweit für eine Sensation gesorgt. Erstmals sorgen in freier Wildbahn ein Weißstorch und eine Schwarzstörchin für Nachwuchs. Lina und ihr großer Bruder Ludger, wie die beiden Jungvögel getauft werden, sind seither zu Medienstars herangewachsen. Anfang September schafft einer der beiden Vögel es auch ins Tageblatt: Lina landet in Mengershausen. Es ist die erste Sichtung, seitdem sie ihre Brutstelle verlassen hat. 

Den Ort für ihren Zwischenstopp scheinen sich Lina und ihre vier Begleiter offenbar sehr genau ausgesucht zu haben. Das Gebäude, auf dessen Dach die bunte Reisegruppe landete, gehört dem Direktor des Halberstädter Vogelkundemuseums Rüdiger Becker. „Dass sie nun gerade auf meinem Scheunendach gelandet ist, war ein glücklicher Umstand.“ Ihm sei wegen der Färbung des Gefieders relativ schnell klar gewesen, wer dort oben auf der Scheune sitzt. Immerhin sei Lina in Expertenkreisen eine kleine Berühmtheit. Schnell habe er zur Kamera gegriffen und Bilder gemacht – auch Nahaufnahmen von den Ringen der Vögel. 

Eine Überprüfung durch die Beringungszentrale in Wilhelmshaven bringt Gewissheit. Der Vogel mit der Nummer „2V705 DEW“ ist tatsächlich Hybridstörchin Lina. Und das ist nicht die einzige spannende Erkenntnis. Die Besetzung des Vogel-Quintetts ist aus Sicht des Vogelkundlers durchaus erwähnenswert: Zwei der Begleiter sind noch relativ junge Störche aus dem fernen Stockholm. 

Die beiden übrigen Tiere hingegen hätten schon einiges an Flugkilometern gesammelt, vermutet Becker. Bei einem fehle leider der Ring, der Älteste der Gruppe aber wurde laut Register im Sommer 2000 registriert. „Ein echter Methusalem“, so der Vogelexperte. In freier Wildbahn liegt die Lebenserwartung von Weißstörchen eher zwischen acht und 15 Jahren. Jungvogel Lina setzt bei ihrem ersten Ausflug also offensichtlich auf erfahrene Flugbegleiter. 

Dass sie sich derzeit ohne ihre Familie auf dem Weg Richtung Süden befindet, sei nicht ungewöhnlich, so Becker. Anders als bei Kranichen machten sich Jungstörche in der Regel allein auf den Weg. Die Eltern würden dann mit zeitlichem Versatz folgen. Bunt gewürfelte Zweckgemeinschaften, wie jetzt in Mengershausen beobachtet, sind daher keine Ausnahme. Während Lina nun also rund 200 Kilometer von der Heimat entfernt zum ersten Mal gesichtet wird, fehlt von ihrem Bruder Ludger jede Spur. Sein Gefieder sei allerdings auch deutlich dunkler und damit weniger auffällig. „Vermutlich wird es von ihm weniger gemeldete Sichtungen geben“, glaubt Becker. 

Dass sich die Eltern – Weißstorch Heinrich und Schwarzstörchin Isis – überhaupt zusammengetan haben, bezeichnen lokale Storchexperten als „Laune der Natur“. Isis’ erste Annäherungsversuche hatte Heinrich bislang immer abgewehrt. Als seine bisherige Partnerin nicht aus dem Winterquartier zurückgekehrt war, wendet er sich der neuen Partnerin zu. Aber schon beim Nestbau sei es zu Reibungsverlusten gekommen, berichten Beobachter: Der Schwarzstorch schmückte den Horst mit Moss, das der Weißstorch herauswarf und durch Gras ersetzte. Als die Jungen geschlüpft waren, versorgte der Vater sie mit Mäusen und Insekten, die Mutter brachte Fisch. Die Zukunft der bunten Storchenfamilie lasse sich kaum vorhersagen, so Kai-Michael Thomsen vom Nabu Uelzen. Es bleibe abzuwarten, ob das ungleiche Paar wieder gemeinsam auf den Horst bei Uelzen zurückkehrt. Um zu erfahren, welche Route die Jungvögel einschlagen, bedarf es weiterer Beobachtungen wie in Mengershausen. Dort ist Lina übrigens nach einer Stunde wieder aufgebrochen.