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Immobilienboom, Schenkungssteuer und Güterstands-Schaukel

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FOTO: THORBEN WENGERT_PIXELIO.DE

Es muss noch nicht einmal das Ferienhaus auf Sylt sein, das vor 40 Jahren für einen Kostenaufwand von 300.000 DM mit Reetdach erstellt wurde und jetzt gut 3 Millionen € wert ist oder das Wohn- und Geschäftshaus in der Göttinger Innenstadt, geerbt vor ein paar Jahren.

Es reicht auch das Einfamilienhaus in guter Ostviertel-Lage in Göttingen, vor Jahrzehnten für 200.000 DM erstellt und mittlerweile das Zehnfache in Euro wert, bis zum Umzug in das Seniorenwohnheim genutzt und jetzt vermietet, um einmal einen Blick in das Erbschaftssteuergesetz zu werfen. § 16 Abs. 1 Nummer 1 gewährt den überlebenden Ehegatten einen steuerlichen Freibetrag von 500.000 €. Dazu kommt ein Versorgungsfreibetrag nach § 17 in Höhe von 256.000 €, der aber durch Versorgungsansprüche abgedeckt sein kann.

Ja, sagt die Ehefrau am Besprechungstisch, aber wir leben ja in Zugewinngemeinschaft, also dem gesetzlichen Güterstand, und da gehört mir ohnedies schon die Hälfte unseres Vermögens, auch die Hälfte unseres früheren Wohnhauses. Befragt, wer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sei, ergänzt die Ehefrau, das sei ihr Ehemann, das sei damals so üblich gewesen, mache doch aber nichts. Sie hätten sich nach dem Berliner Testament wechselseitig zum alleinigen Erben eingesetzt, und da ihr ohnedies die Hälfte des Vermögens gehöre, könne doch nicht sehr viel mehr an Erbschaftssteuer im Erbschaftsfall entstehen.

Die Lösung liege in dem Übergang von der Zugewinngemeinschaft zu Gütertrennung.

Spätestens dann kommt die erste Überraschung, wenn man als Anwalt darüber aufklärt, dass Zugewinngemeinschaft keineswegs Gütergemeinschaft bedeute, in Wirklichkeit nämlich Gütertrennung mit einem Zugewinnausgleich bei Scheidung oder im Todesfall. Zivilrechtlich sei der Ehemann als eingetragener Eigentümer ein solcher, und sterbe der Ehemann vor der Ehefrau, falle das gesamte Haus in den Nachlass mit der entsprechenden Steuerbelastung. Und selbst bei voller Ausnutzung des Versorgungsfreibetrages fielen bei einem Nachlasswert von 2 Millionen € rund 236.000 € an Erbschaftssteuer an. 

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Dipl. Volkswirt Dr. Harald Noack FOTO: R

Könne man das nicht vermeiden und bereits jetzt sozusagen nachträglich die Hälfte des Wohnhauses auf die Ehefrau übertragen? Grundsätzlich ja, so der Anwalt, aber dann fielen für diese Übertragung voraussichtlich unter Ausnutzung des Freibetrages 75.000 € an Schenkungssteuer an – und zu allem Überfluss sei dann der Freibetrag für die nächsten zehn Jahre aufgebraucht.

Gebe es denn keine legale Gestaltungsmöglichkeit? Doch, so der kundige Anwalt, die Lösung liege in dem Übergang von der Zugewinngemeinschaft zu Gütertrennung. Nach § 5 Abs. 2 des Erbschaftsteuergesetzes zähle eine Zugewinn-Ausgleichsforderung nicht zum steuerpflichtigen Erwerb. Man könne darüber hinaus später nach Vereinbarung der Gütertrennung und der damit verbundenen Übertragung der Haushälfte wieder, wenn man das wolle, zum gesetzlichen Güterstand zurückkehren, also, salopp formuliert, die legale Möglichkeit einer Güterstands-Schaukel ausnutzen. Da ein solcher Ehevertrag der notariellen Beurkundung bedürfe, könne man auch sicher sein, dass der Vertrag sachgerecht aufgesetzt werde. Nur: Ein Notar schulde grundsätzlich keine steuerliche Beratung, sodass es Sinn mache, zur Vermeidung von Fallstricken eine Art ganzheitliche Beratung durch Notar und Fachanwalt für Steuerrecht wahrzunehmen. Ansonsten könnte ein kundiger Finanzbeamter bei Übergang zu Gütertrennung, Übertragung des Vermögens und Rückkehr zur Zugewinngemeinschaft gleichsam in einem Abwasch mit dem gefürchteten „Gestaltungsmissbrauch“ des § 42 der Abgabenordnung um die Ecke kommen und die steuerliche Anerkennung versagen.

Zuletzt: Jeder Steuerfachmann wisse um die geringe Halbwertzeit legaler steuerlicher Vergünstigungen. Wird dieses weitgehend unbekannte Thema der Güterstands-Schaukel zur Diskussion gestellt, sei keineswegs sicher, dass diese legale Gestaltung auf alle Zeit fortbesteht.

Dipl. Volkswirt Dr. Harald Noack
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Menge Noack Rechtsanwälte Göttingen