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Erst einmal vorab zur Beruhigung: Die HOAI ist nicht abgeschafft!

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FOTO: MERKEL

Mit der Entscheidung vom 04.07.2019 hat der EuGH lediglich festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen gegen Unionsrecht verstoßen hat. Damit ist nun die Bundesrepublik aufgefordert, die HOAI in diesem Punkt (!) zu überarbeiten.Bis dies erfolgt ist - ein Gesetzgebungsverfahren kann ein bis zwei Jahre dauern - ist nun zu überlegen, welche Auswirkungen diese Entscheidung für zukünftige und laufende Verträge, laufende Vergabeverfahren und Honorarprozesse hat. Denn auch wenn das Urteil selbst sich grundsätzlich nur an die Bundesrepublik richtet, dürfen Gesetze nicht im Widerspruch zum Europarecht angewandt werden.7 Abs. 1 HOAI, mit dem sich das Urteil auseinandersetzt, lautet:„Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.“Aus dieser Regelung folgt, dass Honorarvereinbarungen außerhalb dieses Rahmens unwirksam sind. Nach § 7 Abs. 5 HOAI gilt dann der Mindestsatz.Wenn die Verbindlichkeit des Rahmens der Mindest- und Höchstsätze nun nicht mehr gilt, heißt dies zunächst einmal, dass es zulässig ist, Vereinbarungen zu treffen, die ein Honorar unterhalb der Mindestsätze oder oberhalb der Höchstsätze vorsehen.§ 7 HOAI ist demnach bis auf Weiteres wie folgt zu lesen:„Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.“Selbstverständlich kann auch weiterhin Bezug auf das Honorar nach HOAI genommen werden. Sie können also immer noch die Geltung der Mindestsätze oder den Mittelsatz vereinbaren. Sie dürfen nun aber auch Pauschalhonorare vereinbaren, die sich nicht in diesen Grenzen halten oder ein Honorar z. B. mit „10% unter Mindestsatz“ anbieten.Letzteres gilt auch für öffentliche Ausschreibungen. Sie dürfen nicht mehr wegen Mindestsatzunterschreitung von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Sollte dies dennoch passieren, können Sie gegen den Ausschluss erfolgreich vorgehen.Bei bereits laufenden Verträgen gilt ebenfalls die konkret getroffene Vereinbarung. Soweit diese unter dem Mindestsatz liegt, dürfte es nicht mehr möglich sein, entgegen der Vereinbarung ein Mindestsatzhonorar durchzusetzen. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hierzu ist noch nicht einheitlich. Der BGH hatte noch keine Gelegenheit ein entsprechendes Grundsatzurteil zu fällen. Dies wird aber sicherlich in absehbarer Zeit der Fall sein.Es bleibt also abzuwarten, welche Ansicht sich durchsetzen wird. Auf der sicheren Seite liegen Sie aber, wenn Sie bei Bestehen einer wirksamen Vergütungsvereinbarung nur das Honorar entsprechend dieser Vereinbarung und nicht die Differenz zum Mindestsatzhonorar einfordern.Und ein letztes: Haben Sie keine (schriftliche) Honorarvereinbarung getroffen, gilt nun für Architektenverträge dasselbe wie für alle anderen Werkverträge auch. Die Vergütung richtet sich nach § 632 Abs. 2 BGB: „Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.“Hierzu hat das Landgericht Hamburg entschieden (Urteil vom 23.05.2019 - 321 O 288/17), dass die Mindestsätze als „übliche Vergütung“ anzusehen sind. Dies ist erst einmal ein praktikabler Ansatz.Dr. Markus ThieleFachanwalt für Bau- und Architektenrecht  

Hinweise zum Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17) zur Unionsrechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 HOAI