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Erben will gelernt sein

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Sportsfreund Wilfried, der ja immer so gut Bescheid weiß, weil er einmal bei einer Behörde gearbeitet hat, hatte es ihnen dringend geraten: „Macht ein Berliner Testament, dann kann der Längstlebende machen was er will und die Kinder erben später zu gleichen Teilen. Dann gibt es keinen Ärger.“So hatten sie dann alles in kurzen, klaren Sätzen mit scheinbar eindeutigen Formulierungen geregelt: „Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Nacherben unseres ganzen Vermögens sollen unsere Kinder sein.“ Und nun das: Nach dem Tod des Vaters erklärt der Sohn, die Mutter könne nicht, wie beabsichtigt, das Haus verkaufen, denn sie sei nur Vorerbin und es müsse alles für die Kinder erhalten bleiben. Die Tochter will nicht warten, bis auch die Mutter verstorben ist und verlangt ihren Pflichtteil. Nun verlangt auch der weitere Sohn den Pflichtteil, denn er möchte später nicht schlechter dastehen als seine Schwester, die ja nach dem Tod der Mutter noch einmal ein Drittel des Nachlasses der Mutter erhalten wird, obwohl sie vorher schon ihren Pflichtteil nach dem Vater erhalten hat.

    

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Wolfgang Langmack FOTO: R

Das, was im Sinne der Absicherung des Längstlebenden und im Sinne der Gleichbehandlung der Kinder nach dem Tode des längstlebenden Elternteils gut gemeint war, führt nun zum Zwist, weil die Dinge nicht zu Ende gedacht wurden und mit Begriffen hantiert wurde, die erbrechtlich eine andere Bedeutung haben als ihnen die Beteiligten beigemessen haben. Selbst die scheinbar einfachsten Regelungen können auf diese Weise zu Auslegungsschwierigkeiten und Streit unter den Beteiligten führen.

Hier war nichts anderes gewollt, als dass der längstlebende Ehegatte zunächst alleiniger Vollerbe werden sollte. Über den Nachlass, insbesondere die Immobilie sollte er zu Lebzeiten frei verfügen können. Keinesfalls war gemeint, dass er als Vorerbe lediglich die Nutzungen des Nachlasses haben sollte, ansonsten aber über das Vermögen, das ja einmal gemeinsam geschaffen worden ist, nicht verfügen darf. Dies hätte durch eine einfache Erbeinsetzung des längstlebenden Ehepartners als Alleinerbe und Einsetzung der Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden erreicht werden können. Gegen die unerwünschte Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche hätte eine Pflichtteilsstrafklausel in das Testament aufgenommen werden können, wonach ein Kind, das gegen den Willen des längstlebenden Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, auch bei dessen Tod lediglich noch einen Pflichtteil erhält. Alternativ kann in einem solchen Fall dem längstlebenden Ehepartner die Möglichkeit eröffnet werden, das Testament zu Lasten des Kindes, das den Pflichtteil bereits im ersten Todesfall fordert, zu ändern. Selbst scheinbar einfache Sachverhalte erfordern deshalb eine intensive Befassung mit den Regelungsmöglichkeiten. Wer Begriffe wie Vorerbe, befreiter Vorerbe, Nacherbe, Vollerbe, Schlusserbe, Vermächtnis etc. nicht sauber auseinanderhalten kann, sollte ohne fachliche Beratung mit diesen Begriffen auch nicht hantieren. Eine falsche Begriffswahl führt unter Umständen zu großen Problemen. Ein weiterer Streitpunkt sind häufig unterschiedlich hohe Schenkungen, die Kinder zu Lebzeiten der Eltern erhalten haben und die nun zu dem Streit unter den Kindern führen, ob solche Schenkungen untereinander auszugleichen sind oder nicht.

Hier liegt es bei dem Schenkenden, Klarheit zu schaffen. Bei einer lebzeitigen Schenkung größeren Ausmaßes sollte festgelegt werden, ob und in welchem Umfang diese Schenkung unter den Kindern zum Ausgleich zu bringen ist. Für die meisten Schenkungen gilt, dass diese nur dann auszugleichen sind, wenn dies bei der Schenkung so angeordnet worden ist. Eine nachträgliche Anordnung eines solchen Ausgleichs im Testament ist nicht möglich. Natürlich muss dafür Sorge getragen werden, dass die Anordnung der Ausgleichung später auch nachgewiesen werden kann, etwa durch entsprechende schriftliche Erklärung, die an sicherer Stelle verwahrt werden.

Ohne konkrete Festlegungen bei der Schenkung drohen später auch Streitigkeiten wegen der Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kinder, die zu Lebzeiten nichts oder deutlich weniger erhalten haben als ihre Geschwister. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Erbfall im Nachlass nur noch wenig Vermögen vorhanden ist. Es ist dann aus dem Nachlass oder ggf. auch durch den Beschenkten selbst zumindest bis zur Höhe des Pflichtteils des benachteiligten Kindes ein Ausgleich herbeizuführen.

Andererseits ist das Instrument der lebzeitigen Schenkung durchaus auch ein gutes Gestaltungsmittel, wenn ein pflichtteilsberechtigtes Kind, zu dem möglicherweise seit vielen Jahren kein Kontakt besteht oder das sich schlecht verhalten hat, möglichst wenig am Vermögen beteiligt werden soll. Da lebzeitige Schenkungen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach dem ersten Jahr um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt werden, wenn der Erbfall eintritt, nimmt der Ergänzungsanspruch eines benachteiligten Pflichtteilsberechtigten Jahr um Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, um zehn Prozent ab.

Die Gestaltungsmöglichkeiten müssen aber, da sie immer mit Ausnahmeregelungen verbunden sind, im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, damit die gut gemeinte Gestaltung nicht, wie eingangs geschildert, das Gegenteil bewirkt.

Wolfgang Langmack
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Erbrecht